Manche Gerichte haben starke emotionale Bezüge. Jeder kennt das: Kindheitslieblingsgerichte oder Festtagsgerichte, es gibt alles Mögliche.
Gerade jetzt wird ein großer Teil der Deutschen den Heiligabend mit Würstchen und Kartoffelsalat begehen, um erst am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag voll aufzutischen.
Ich hab es zwar nie gegoogelt, aber viele (ältere) Menschen sagten mir, es hätte mit der Zeit direkt nach dem Krieg 1945 zu tun, als es sogar schwer war Würstchen und Kartoffeln zu bekommen. Und das Gericht wurde in Demut und Dankbarkeit beibehalten. Ich muß sagen, der Gedanke ist mir sympathisch… In der Zwischenzeit hab ich etwas gegoogelt und festgestellt, daß die Adventszeit als Fastenzeit gilt und Weihnachten mit der Mitternachtsmesse am 24.12. beginnt und so das Abendessen eigentlich noch zu den Fastengerichten gehört (früher auch mit Hering).
Also gibt es noch 2-3 andere plausible Gründe „nur“ Würstchen und Kartoffelsalat zu servieren. Aber – die Überleitung gab es schon in der letzten Zeile.
Heute hatte ich Lust auf Hering, genauer auf Matjes. Ich hab ihn allerdings nicht frisch aus der Nordsee, auch nicht von meinem italienischen Fischhändler (der führt leider keinen Hering), sondern ich probierte den abgepackten Matjes von (Ja!) Nordsee, aber im Laden aus. Ihr habt vielleicht auch schon die Pappaufsteller gesehen, die sind relativ neu und sollen wohl ein weiteres Geschäftsfeld für Nordsee eröffnen.
Jedenfalls war ich mit der Qualität ziemlich zufrieden, Die Matjes waren im Rauch, was ich gewöhnungsbedürftig fand, ganz einfach, weil ich es nicht erwartet hatte.
Ich habe einen Becher saurer Sahne mit etwas Zitronensaft und einer Prise Salz angerührt, dazu kam die letzte Bete Knolle in kleinen Kuben, eine fein geschnittene rote Zwiebel sowie ein geschälter und in feine Scheiben geschnittener Apfel. Gurken hatte ich leider keine, aber die passen ebenso gut wie die anderen Komponenten.
Dieses Gericht hat einige Zutaten, die ich sonst selten in reiner Form zu mir nehme, weil sie mir einfach zuviel sind, wie saure Sahne oder auch die Bete ohne große weitere Würzung, weil mir das schnell zu dumpf wird (deshalb der Zitronensaft). Aber hier mache ich eine Ausnahme, weil die Einzelteile ein größeres Ganzes bilden. Ich bilde mir ein, die saure Sahne, die Bete, die Süre vom Apfel wie auch die Säure von den hier nicht vorhandenen Gurken bilden einen süß-sauren Kontrast zum an sich fetten Hering, der wiederum kräftig Umami und viel Mundgefühl beisteuert.
Zurück zur Ausgangslage: Woher kommt die Liebe? Keine Ahnung. Ich bin zu den Ferienzeiten in einem Dorf im Odenwald untergebracht worden (beide Eltern waren berufstätig) und die Pflegefamilie hatte nicht viel Geld. Es gab eigentlich nur Sonntags Fleisch, Freitags manchmal Fisch. Es gab ab und zu Pellkartoffeln mit Quark und Gewürzen, manchmal mit eingelegtem Matjes.
Mit der Quarkbeilage konnte ich mich garnicht anfreunden, weil der Quark immer so an den Zähnen gequietscht hat, aber der Matjes war immer besser als der ganze Rest, man konnte sich die Stückchen angeln ohne zuviel vom Rest abzubekommen. Als ich älter wurde stellte ich fest, daß Fisch eigentlich sehr gut schmeckt, und nachdem ich für mich die Grätenfrage gelöst hatte (ich bin immun) stand der Liebesbeziehung nichts mehr im Weg. Und ich gebe zu, ich esse genauso gern Dosenfisch (Sardinen, Hering, Thun, etc.)


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