Neureut, 13. Stock


Ich will eigentlich schon seit einiger Zeit einem weiteren grundsätzlichen Kunstfeld etwas Raum einräumen. Der geneigte Leser wird inspiriert durch meine Wortwahl schon ahnen, um was es geht: Landschaftsmalerei.

Sie findet ihre Anfänge dort, wo Künstler einen Hintergrund brauchten für religiöse Bilder, die vom Klerus bestellt worden waren, oder einfach nur, um den Vordergrund besser darzustellen. Aber kurz nach der Entdeckung und Behauptung des künstlerischen Selbstbewusstseins (Albrecht Dürer, da Vinci, Michelangelo) war der Darstellung aller Themen Tür und Tor gebrochen. Wo es vorher nur religiöse Darstellungen und Königsportraits gab, malten Dürer und Co. betende Hände, die eigene Mutter, einen Hasen, ein Rasenstück, und die Landschaft um Nürnberg und Antwerpen.

Das Rad der Stile und Ausdrucksformen begann sich schneller zu drehen.

Ohne hier einen kunstgeschichtlichen Abriss aufzeigen zu wollen, wurden gleichzeitig und auch nacheinander, befruchtet voneinander (durch Kunstreisen und Kontakte zu Künstlern in anderen Ländern) immer neue Möglichkeiten ausgelotet, Landschaft darzustellen.

 

Das ist ein Dürer von 1494. Er wurde 1471 geboren, war also 23, als er dieses Bild aquarellierte. Kurz danach hat er ein sehr berühmtes Selbstbildnis gemalt, das für die Zeit unerhört war. Es sagte, schaut her, ich bin Maler! Sein erstes Selbstportrait entstand aber, als er erst 13 Jahre alt war.

Das Aquarell ist in einer Art gemalt, das versucht, das Gesehene möglichst genau darzustellen, fast wie ein Reporter.

Dürer war aber auch fähig, weiter zu denken:

 

Hier eine Federzeichnung von 1520, gegen Ende seines Lebens. Er war ausserordentlich erfolgreich gewesen, hatte die Niederlande und Belgien besucht, aber auch Itakien, und die deutsche Variante der Renaissance dort gezeigt und dafür deren Varianten in Deutschland verbreitet.

In dieser Federzeichnung hat man den Eindruck, daß die Boote aus einem zusammenhängenden Strich bestehen, der von links unten bis zur Stadt rechts oben führt. Die große Diagonale erzeugt ungemein Spannung und ich finde, es ist eine der gelungensten Raumaufteilungen der Kunstgeschichte geworden. Die Diagonale, die große Horizontale, und dann die große Vertikale rechts die in der Turmspitze mündet. Die Augen folgen der Zeichnung automatisch.

 

El Greco (1541-1614) lebte ein halbes Jahrhundert nach Dürer. Ein Grieche von Geburt, kam er nach Spanien und wurde sehr berühmt. Obwohl er dort auch viele religiöse Themen bearbeitete, gab es auch Ausflüge ins Profane, wie hier die stürmische Landschaft von Toledo. Sein expressiver Stil, der auch in seinen anderen Darstellungen aus der Zeit fällt, lässt ahnen, welche Freiheiten Maler sich zukünftig erlauben würden 🙂

 

Im 17. Jahrhundert waren die Holländer das sine qua non, die Macht, ohne die nichts ging. Das beinhaltete Großbilder (Nachtwache, Rubens-Allegorien, Portraits von Frans Hals, und eben auch schonungslose Bilder von Rembrandt. Es täuscht ein wenig, sie sind immer in ein weiches Licht getaucht, aber was dargestellt wird, ist nicht immer in Ordnung. Man sehe sich seine Selbstportaits oder die seiner Frau an. Auch die Mannen der Nachtwache sind nicht unbedingt vorteilhaft getroffen. Die Landschaft gehört glaube ich zu den allegorischen Landschaften, die zu der Zeit mehr gefallen wußten. Die symbolische Überhöhung entrückte die Landschaft der üblichen Betrachtung und machte sie zu einer Wunschlandschaft.

 

Jean-Antoine Watteau (1684-1720) benutzt die Landschaftsdarstellung (Einschiffung nach Kythera) als Unterstreichung eines Sehnsuchtsbedürfnisses und der Darstellung des Ortes dieser Sehnsucht. Er malt das Bild auch zu einer Zeit, da es die Mode der Adligen ist, sich bäuerlich (ihre Version) zu kleiden, um das sogenannte einfache Leben zu feiern. Das war natürlich eine Lebenslüge, aber sie fand hier ihre Darstellung.

 

Francesco Goya (1746-1828) war erst auch der Maler des Königs am spanischen Hof (nachdem er eine Karriere als Designer von riesigen Wandteppichen hingelegt hatte)

Aber mit zunehmendem Alter wurde er immer kritischer der Macht des Klerus in Spanien gegenüber und schuf ein intensives graphisches Werk, das ihn in große Schwierigkeiten brachte.

Das Bild hier (El Coloso-Der Koloss) ist eines von mehreren Bildern die sich rabiat mit dem Thema von Macht und Machtmissbrauch auseinandersetzen.

Die Landschaft hier ist mit Leichen überzogen, während der Koloss sich entfernt. Man kann davon ausgehen, daß die Landschaft eine Fantasielandschaft ist, andererseits könnte die Landschaft glaubhaft an die Gegend um Madrid erinnern, lebte er doch die meisten Jahre dort. Die dunkle Farbgebung, die auch sehr typisch für den späten Goya ist, transportiert das allgemeine Gefühl, der Vorahnung schrecklicherer Dinge aufs beste.

 

William Turner (1775-1851) hievte die bildnerische Gestaltung sehr früh auf eine abstraktere Ebene. Er gilt als der innovativste Künstler seiner Zeit in England, dem Zeitalter der Romantik. Er war eigentlich ein Akademiemaler, Professor an der Akademie, aber es gab einen Bruch etwa um 1830, wonach er Vor-Impressionistische Bilder malte. Es ist fast, als würde er mit dem Finger in die Zukunft zeigen und den Schleier einen Moment zurückziehen. Er hat auch Bilder gemalt, die Lokomotiven, deren Dampf und Geschwindigkeit zum Thema haben. Die sind besonders toll.

 

Ein etwas untypisches Werk von Monet (1840-1926), das aber zeigt, wie er mit seinem tupfigen Pinselstrich die Landschaft in Punkte auflöst. Er ist nicht der einzige prominente Impressionist, aber vielleicht der erfolgreichste und langlebigste. Er bleibt auch heute ungeheuer bekannt und beliebt. Wichtige Werke hängen in Basel und natürlich in Paris. Mit zu den schönsten Spätwerken sind die Seerosen, riesige Ölgemälde von 5×1.5m, die er in Giverny, seinem Wohnsitz 60 km westlich von Paris gemalt hat.

Die Landschaft ist hier wieder Vorlage und nicht Symbol, aber sie wird durch die Maltechnik in ihre optische Einzelteile zerlegt.

 

Paul Cezanne (1839-1906), ein Zeitgenosse Monets, war dennoch ein Maler, der nicht anders konnte, als die Landschaftsmalerei und auch alle anderen Varianten in geometrische Formen aufzulösen. Am Anfang belächelt, wurde er wegweisend und weltberühmt. Es beziehen sich jede Menge nachfolgende Maler auf ihn, unter anderem Picasso und die anderen Kubisten, alle, die anfingen abstrakt zu arbeiten, und alle, die anfingen expressionistisch zu arbeiten. Nichtsdestotrotz sind seine Landschaften der ehrliche Versuch, das Gesehene so genau wie möglich einzufangen, unter der Voraussetzung, daß alles geometrisch aufgelöst werden kann, versteht sich 🙂

 

 

 

Paul Klee (1879-1940) war ein Maler, der in der Tradition der Expressionisten stand, auch einer berühmten Künstlervereinigung nahe stand (der blaue Reiter)

Er machte auch 1914 eine Reise nach Tunesien mit August Macke und Louis Molliet, die für alle drei Künstler ein einschneidendes Erlebnis waren. Für Klee, der in München studiert hatte und anfangs Landschaften nach Art des Jugendstils malte, bedeutete dieser Einschnitt die Abkehr von realistischer Malerei hin zu einer phantastischen Imagination. Es war ein großes Glück, daß er als Professor ans Bauhaus in Dessau berufen wurde, wo er auch ein großes theoretisches Werk schuf. Man hört vielleicht heraus, daß ich seine Kunst besonders liebe. Jedes Bild ist seine eigene Welt.

Klee schafft hier Landschaften vom inneren Auge heraus, obwohl dieses Bild in Tunesien 1914 entstand, mit einer Vorlage, die es vorort gab.

 

So, und jetzt fühl ich mich ziemlich klein, wenn ich etwas von mir zeigen soll.

 

 

Das Bild ist nicht datiert, aber es ist in den 90er Jahren entstanden. Es war eine Leinwand, es waren Ölfarben. Wir lebten in einem kleinen Penthouse im 13. Stock eines Hochhauses in Neureut, dem größten Stadtteil von Karlsruhe. Es war das höchste Hochhaus weit und breit, höher als die paar anderen in der Stadt. Und in westlicher Richtung lag der alte Teil Neureuts. Ich habe versucht, es einfach hinzuschmeissen, nur Farbe, ein paar Linien und natürlich der Kirchturm, an dem sich das Auge festhalten kann.

Die Leinwand ist auf einen Rahmen gespannt und hat die Größe 40×60 cm. Sie hat keinen äußeren Rahmen.

 

7 Kommentare zu “Neureut, 13. Stock

  1. tontoeppe sagt:

    Der Spannungsbogen deines Posts ist riesig…😁 aber ja: mir gefällt dein Bild.

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  2. BAG sagt:

    Sehr guter Post, interessante Beispiele. Und klar gefällt mir das Neureut Bild.

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  3. Toller Beitrag und sehr interessant. Bin total beeindruckt 🙂 auch dein Bild finde ich sehr schön und es passt sehr gut zu den anderen Gemälden in deinem Beitrag =^_^=

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  4. Sehr schöner Abriss der Kunstgeschichte! Und dann der Blick aus dem 13.Stock, das weckt Erinnerungen an Feuerwerk, heisse Sommer und Luftmatratzen!

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